07 Feb

Mutters Beste nach 40 Jahren

Mothers Finest live im PIano Dortmund

Sie schieben immer noch den Rock’n Roll, Soul und Funk in einmaliger Weise von der Bühne. Gestern waren sie mal wieder Mothers Finest im Land, sichtlich gealtert seit ihrem sensationellem Auftritt 1978 im Essener Rockpalast; zwar ohne Keyboarder in Sound und Rhythmik etwas reduziert, aber mit zwei Gitarristen mächtig druckvoll; noch weitgehend in Originalbesetzung, einschließlich des Bassisten Jerry „Wyzard“ Seay, der auch heute noch im perfekten Sound die Bässe hämmert und rasant schnell Linien einbaut. Da ist sie noch die Sängerin „Baby“ Jean Kennedy, die mit 70 Jahren noch sichtlich Spaß an der Musik hat, die Stimme nicht mehr ganz so voll, daneben ihr Mann, Sänger Glenn „Doc“ Murdock, der mit dem Englisch der Gäste im Dortmunder Piano hadert, vor allem bei seinen Aussagen über die Politik in den USA; kein Wunder bei einer schwarzweißen Band, die immer schon Grenzen überwand. Und sie spielen es wieder, ihr „Nigizz Can’t Sing Rock ‘n’ Roll“, dass bei seinem Erscheinen trotz der klaren Ironie für Diskussionen sorgte.

Gitarrist Gary „Moses Mo“ Moore, nicht der irische Namensvetter, hat seine langen blonden Haare gegen Frisur und Bart von Catweazle eingetauscht, und bedient voller Spielfreude die Gitarre, sichtlich aber auch mit Ironie zu den Posen der Hardrockgitarristen. Sein kon-souveräner farbiger Partner John „Red Devil“ Hayes ist auch schon seit 1992 dabei. Schlagzeuger Dion Derek Murdock ,Sohn des Sängerpaares,  groovt inzwischen herausragend kraftvoll.

Die reife Band fand ein gleichaltriges Publikum vor, mit dem Baby Jean in Erinnerungen an 1978 schwelgen konnte: „Ihr ward doch auch alle vor 40 Jahren in der Grugahalle“.

Klar, und wir staunten, dass das unmögliche aus den Boxen fetzte: Rock und Funk, nicht vermengt, sondern klar nach Personen getrennt. Großartig! Das sind die Stücke heute noch: Baby Love, Piece of Rock und Mickey’s Monkey klarer und straighter als damals.

Eine neue Mütze für diese kalten Tage
hat nun Mutters Bester in der Redaktion auch.

10 Feb

Tränen lachen bei den 78twins — dabei . . .

Sven Hiller, Bastian Korn, Benni Korn und Martin Ettrich.

Sven Hiller, Bastian Korn, Benni Korn und Martin Ettrich.

So sehr die 78twins die groovendste Essener Roadband sind, so wenig scheinen sie auf die schwimmende Bühne auf den Baldeneysee zu gehören. Mit absurden Szenen fängt der Film an, ohne zunächst eine Sekunde Konzert zu bieten. Erst am Schluss darf der Zuschauer ein wenig hineinhören, wie die Vier sich zwischen der Rock’n Roll-Tanzgruppe und Klassik mit ihrem treibenden Rock auf den Wellen geschlagen haben, ob sie tatsächlich den „See zum Beben bringen“, was der Moderator ihnen vor dem Auftritt zutraut, denn „sie haben viel geleistet, sie sind Zwillinge.“

MusicinSelten gibt es bei einem Film so viel zu lachen wie bei „Fast beinahe bekannt … der Film“, dabei liegt der Humor allein in einer Situationskomik, die der Zuschauer selber fühlen muss. Der Film bietet eine eigentlich traurige Studie einer Band, die alles hat bis auf einen Hit: Freundschaft, Können, Selbstironie, Effizienz, Persönlichkeiten und eine größtmögliche Akzeptanz. Kann man sie nicht mögen? Die ausverkaufte Film-Premiere im unvergleichlichen Studio im Glückaufhaus war jedenfalls ein Fest.

Peter Rüchel als Ehrengast veredelte den Abend, erinnert aber auch in seiner Erscheinung daran, dass der Rockpalast in seiner Gruganacht-Version schon dreißig Jahre her ist, und Bill Haleys Konzert an dem selben Ort  60 Jahre.twins_film_poster15_kontakt

Die Macher des Films Tobias Berbuer und Peter Brandt geben auf der Leinwand keine Kommentare, die ohnehin in solchen Filmen selten zu sehen sind. Aber immerhin interpretieren bei The Last Waltz oder Ähnlichem wenigstens die Musiker, Fans und Veranstalter noch manches; das geht bei den 78twins gen Null.

Die Vier von der Rockstelle scheinen zumindest im Film überall am falschen Ort zu sein, außer in ihrem Wohnzimmer Bahnhof Süd, wo sich die Fans familiär zwischen zwei Jahren und ganz schön darüberhinaus zu ihrem Beat  bewegen. Der Klang ist hier fast zu gut, während manche Szenen im Alltag nach verzerrtem Röhrensound klingen.

Bei allen anderen Auftritten werden sie gemocht, doch scheint die Welt zu einer solchen zeitlosen funky Rock’n Roll Band nicht mehr zu passen. Im echten Rockclub, der an der Flingerstraße in D’dorf schon seit den Siebzigern existiert, sind ausgerechnet die 78twins die Sargträger bei dessen drittklassiger Beerdigung. Es wäre zum Weinen, wenn es die unerschütterlichen Vier nicht so locker nähmen.

Immer scheinen die Veranstalter Gutes zu wollen, aber die Szenen wirken, als habe die Welt für eine solche Rockpartyband keine Schublade mehr: „Das nächste Stück ist in C7, könnt ihr also drauf tanzen“, macht Gitarrist Ludi dreimal den Gag, der bitterböse ins Konzert startet. Selbst das alte Flaggschiff Grugapark wirkt zu jung für diese 78er, die eigentlich kein Alter haben. Da entdecken zwar die zahlreichen Super-Nah-Aunahmen der Filmer keine überflüssige Falte oder gar zu graues Stoppelbarthaar, aber die Gesichter wirken so abgeklärt wie bei Methusalem: „Rock ist tot, lange lebe Rock“ klappern die Zombie-Gerippe im 78-Beat.

Dabei ist der Zuschauer schnell überzeugt, zwischen all den gecasteten Boygroups und den Supertruppen mit den großen Botschaften müssen es doch genau solche Bands mit ihrem Lieferwagen-Tetris sein, die der Musik ihre echten Gefühle zurück geben können. Gewonnen haben die 78twins schon Preise, alle Aktiven der Szene haben die Vier entdeckt. Ob Stimme, Band oder Kompositionen alles haben die Juroren des Landes prämiert. Nun singt Bastian sogar  deutsch, 41 Jahre nach Andrea Doria allerdings eine späte Erkenntnis.

Aber genau dann, wenn die 78twins eine eigene selbstkomponierte Ballade anspielen, wächst die Ahnung: Würde das ein Hit, wäre der Rock’n Roll mit den drei Stiefeln auf dem Kawai-Piano sofort ein Fremdkörper im Programm. Die 78twins würden umgehend eine andere Produkt-Marke; bestenfalls wie Sasha und Dick Brave.

Solange bleiben sie aber ein fröhliches Quartett, bei dem ein kaputter Daumen eine kleine Existenzkrise auslöst und alle Diplomatie erfordert: „Der andere Bassist ist super, der kann das locker.“ „Besser als ich?“ „Öh. (Reaktionssekunde) Nein! Anders, der spielt anders!“  Erleichterung. – Das Publikum lacht mit schwer erschüttertem Herzen.