07 Jan

Mit den Grünen auf Testfahrt im neuen Quartiersbus

Seit heute rollen die neuen Kleinbus-Linien durch Werden Stadt und Land

Grüne auf Tour: Hildegard Demmer, Fabian Griechen, Ludger Hicking-Göbels, Udo Steinhauer, Hildeburg Hess-Steinhauer und Rolf Fliß vorm neuen Quartiersbus.

Klein und gelb winden sie sich auch durch enge Gassen des Werdener Landes: Seit heute morgen rollen die neuen Quartiersbusse durch Werden, Fischlaken und Heidhausen. Vertreter der örtlichen Grünen steigen gleich am Tag Eins ein zur Testfahrt – und zeigen sich nach einer halben Stunde Fahrt im neuen 192er begeistert: „Das könnte ein Vorläufer sein für die Verkehrswende in den Stadtteilen“, frohlockt der stellvertretende Bezirksbürgermeister Ludger Hicking-Göbels.

Kurz vor der Abfahrt um 11.45 Uhr steigt die kleine Delegation, bestehend aus den frisch gebackenen Bezirksvertretungs-Mitgliedern Fabian Griechen und Hildeburg Hess-Steinhauer, dem Fraktionssprecher Ludger Hicking-Göbels, dem Koordinator der grünen Stadtteilgruppe in der Bezirksvertretung IX Udo Steinhauer und dem stellvertretenden Bürgermeister Rolf Fliß, ein – eben zu einer Zeit, in der nicht zu viele Fahrgäste unterwegs sein dürften. Denn in dem Kleinbus mit seinen 14 festen und fünf Klappsitzen will man gerade in Corona-Zeiten nicht unnötig vielen Fahrgästen Platz wegnehmen. BV-Kollegin Hildegard Demmer nimmt zur gleichen Zeit den 182er, der dieselbe Strecke in umgekehrter Richtung fährt.

Der Rest steigt in den 192er und verteilt sich auf die hinteren Sitzplätze. Noch sind die Grünen – neben den beiden mitfahrenden Journalisten – die einzigen Fahrgäste. Gerade der vordere Bereich des Busses wirkt recht geräumig, hier ist vor allem Abstellfläche für Kinderwagen und Rollstühle vorhanden. „Kann man hier auch Fahrräder mitnehmen?“, erfüllt Ludger Hicking-Göbels mit dieser Frage sofort das Klischee eines Grünen-Politikers. „Es gelten die normalen Beförderungsbedingungen“, entgegnet Rolf Fliß, der sich als Grüner natürlich ebenfalls gut mit Drahteseln auskennt und als Ruhrbahn-Aufsichtsratsmitglied auch noch Experte darin ist, was im hiesigen öffentlichen Nahverkehr geht und was nicht. „Wenn Platz ist, können Fahrräder mitgenommen werden, Kinderwagen haben Vorrang“, ergänzt er.

Grüne auf Testfahrt.

Doch bei dieser Fahrt steigen weder Rad- noch Rollstuhlfahrer ein, auch Kinderwagen brauchen keinen Platz. Stattdessen schreiten zwei Damen mit einem Kind am Werdener Markt durch die vordere Flügeltür, die sich an jeder Haltestelle, an der jemand ein- oder aussteigen will, langsam, aber dennoch schwungvoll öffnet. „Dann wollen wir uns mal den neuen Bus angucken“, sagt eine der Frauen. Etwas neues ist auch immer zunächst einmal eine Attraktion.

Der Bus rollt weiter über Klemensborn, vorbei an der Jugendherberge und an der Grünen Harfe – hier werden bei dem einstigen vordersten Kämpfer der Bürgerinitiative, die der umstrittenen Neubebauung Grenzen setzen wollte, sicher Erinnerungen wach. Die – nun ja – sehr individuelle Bauweise der Häuser löst immer noch Kopfschütteln beim heute ersten Grünen im Bezirk IX aus. „Wir wollten mit der Initiative ja eine Gestaltungssatzung durchsetzen“, so Hicking-Göbels. Hat augenscheinlich nicht geklappt.

Apropos nicht geklappt: „Unser ursprünglicher Wunsch war es, dass der Ortsbus durch die Spillheide fährt, direkt durch die Wohngebiete“, so Hicking-Göbels. Doch das habe nicht wegen der wechselseitigen Parkplätze funktioniert. Zu eng wäre dies auch für den wendigen Quartiersbus, wie der Ortsbus nun offiziell heißt, geworden. „Das kommt davon, wenn man bei Verkehrsplanungen nur an Autos denkt, aber nicht an den öffentlichen Nahverkehr.“

Und auch so wird es noch richtig eng für den kleinen gelben Flitzer. Wenn etwa in Richtung Hildegrimstraße links Wagen an Wagen im Halteverbot parkt und auf der rechten Seite an Paketdienst-Lieferwagen hält, dann muss der Ruhrbahn-Fahrer schon Geschick beweisen im Lenken. Ein normal großer Bus wäre hier wohl nicht durchgekommen. Dass der Quartiersbus 50 Zentimeter schmaler ist als herkömmliche Busse, zahlt sich hier aus. „Es ist ein Lernprozess“, so Hicking-Göbels mit Blick auf die Parker, die dem Bus das Durchkommen erschweren. Den Fahrplan hält der Bus trotz der kleinen Schwierigkeit gut ein.

Ganz schöne Steigungen hat der Bus zudem zu meistern. „Ein Elektromotor hätte auf dieser Strecke wohl seine Schwierigkeiten gehabt“, kommentiert Fabian Griechen eine im Vorfeld diskutierte umweltfreundliche Idee, die wieder zu den Akten gelegt wurde .Nun muss ein – immerhin moderner – Dieselmotor die Arbeit leisten. Umweltfreundlicher als die großen ist der gerade mal 8,5 Meterlange Bus aber allemal unterwegs.

Zwischenzeitlich füllt sich der Quartiersbus mit regulären Fahrgästen. Darunter ein Herr, der „Am Schwarzen“ dazusteigt und schnell mit den Fahrgästen im hinteren Teil ins Gespräch kommt. Auch er zeigt sich begeistert vom neuen Nahverkehrs-Angebot: „Super“ sei der Quartiersbus. „Viel praktischer als die alten Busse. Für die wird es in Richtung Pastorsacker richtig eng. Und dass er alle 20 Minuten kommt und nicht nur jede halbe Stunde wie der frühere Bus, ist schon eine starke Verbesserung.“

Die grünen Mitfahrer nicken. Der kürzere Takt, aber auch die flotte Fahrtzeit von den Wohnquartieren in Werden Land ins Stadtzentrum und zum Bahnhof machen das Angebot zu einer echten Alternative, sind sie überzeugt. „Ich denke, viele werden es sich genau überlegen, ob sie sich die Parkplatzsuche zumuten müssen, wenn sie auch in fünf Minuten mit dem Bus in die Altstadt fahren können“, sagt etwa Hildeburg Hess-Steinhauer. Zufrieden merkt sie an, dass auch einige Menschen mit Einkaufstrolleys eingestiegen sind. „Der Anschluss an die S-Bahn ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt“, ist sich Udo Steinhauer sicher. Der zugestiegene Herr ist indes an seiner Zielhaltestelle, der Hildegrimstraße, angekommen und verabschiedet sich, sichtlich zufrieden mit der kurzen wie bequemen Fahrt.

Nahe der Haltestelle Pastorsacker begegnet der 192er seinem Zwilling, dem 182er – auch er sieht gut gefüllt aus. „Vor allem am Werdener Markt wurde es voll“, berichtet Hildegard Demmer im Anschluss. „In den Wohnvierteln hat es sich dann nach und nach etwas ausgedünnt.“ Wichtig sei, wenn die Schule wieder starte, darauf zu achten, ob in Kernzeiten zusätzliche Angebote notwendig seien, vielleicht in Form von E-Fahrzeugen, regt sie an.

An der Werdener Brücke beenden die beiden Damen mit dem Kind ihre Rundfahrt. Draußen nehmen sie mit dem Handy noch ein Foto vom gelben Mercecdes-Kleinbus Typs Sprinter City 75 auf – die Jungfernfahrt will festgehalten werden.

Nach ziemlich genau einer halben Stunde beendet der Quartiersbus da, wo er seine Fahrt begonnen hat, die Runde. Die Grünen Testfahrer zeigen sich zufrieden: „Probefahrt gelungen“, merkt Rolf Fliß an, „man sitzt sehr angenehm.“ Er sieht in dem neuen Quartiersbus-Angebot einen „wichtigen Baustein zum Modal Split vier mal 25.“ Damit bezeichnet die Stadt Essen ihre zur Grünen Hauptstadt auferlegte Selbstverpflichtung, den Anteil der Verkehrsteilnehmer Auto, Radfahrer, Bus und Bahn sowie Fußgänger auf jeweils 25 Prozent zu verteilen. Seit Jahrzehnten hat da nämlich das Auto unangefochten die Frontstoßstange vorn.

Auch der 182 rollt neu durch die Quartiere.

Ludger Hicking-Göbels, der sich beim Aussteigen noch beim Fahrer mit einem kleinen Präsent bedankt, sieht in dem Quartiersbus ein Modell, das sich „toll in andere Ortsteile übertragen lässt, wenn die Werdener das Angebot annehmen“. Er nimmt sogleich weitere Bausteine der Werdener Verkehrswende ins Visier: „Als nächstes wünschen wir uns eine sukzessive Bewirtschaftung des Platzes der Werdener Feintuchwerke.“ Soll heißen: Das Parken dort soll nach dem Willen der Grünen künftig nicht mehr gratis sein. Dies soll aber freilich nicht geschehen, ohne weitere Angebote zum Umsteigen zu schaffen: „Wir sollten mit Arbeitgebern sprechen, um Dinge zu realisieren wie Firmentickets oder ein Fahrradparkhaus auf dem Platz der Werdener Feintuchwerke“, so der stellvertretende Bezirksbürgermeister. Zum Beispiel Mitarbeiter der Kliniken oder der Folkwang-Uni könnten dann in solch einem Fahrradparkhaus insgesamt 60 bis 80 Räder wettergeschützt unterstellen, beschreibt er seine Vorstellung.

Doch zunächst geht es darum, vielleicht noch an Details in Sachen Quartiersbus zu feilen, Die bessere Anbindung der Ruhrlandklinik ist so ein Detail, das ja inzwischen erreicht ist: Ab April soll der 190er-Quratiersbus auf einem neuen Linienweg auch eine Schleife zum Heidhauser Platz fahren, um dort Umsteigemöglichkeiten zu bieten und die ländlicheren Gefilde besser anzubinden.

Verbesserungsbedarf sieht Hildeburg Hess-Steinhauer noch in Sachen Barrierefreiheit. „Mit einem Einkaufstrolley ist gerade der Ausstieg nicht immer ganz einfach“, hat sie beobachtet. Der Abstand zwischen Ausstieg und Bordsteinkante ist zuweilen doch recht groß. Zwar lässt sich bei Bedarf für Rollstuhlfahrer eine Rampe ausfahren, aber „Absenken, um den Abstand schnell zu verringern lässt sich der kleine Bus nicht so leicht wie die großen“, so Rolf Fliß. Abhilfe könnte da schaffen, die Bordsteine an betreffende Haltestellen zu erhöhen. „Vielleicht kann die BV das finanzieren. Vier Grüne Bezirksvertreter, die diese Idee in eine der nächsten Sitzungen hineintragen könnten, haben da aufmerksam die Ohren gespitzt.

Seine Ohren spitzen muss man auch, wenn man seine Haltestelle nicht verpassen will, denn bei der Testfahrt hat der dafür vorgesehene Monitor noch nicht die Haltestellen angezeigt. Dafür sagt eine weibliche Computerstimme an, wo der Bus als nächstes hält. Vielleicht, regt ein Mitfahrer an, könnte man ja den ein oder anderen prominenten Bewohner aus Werden, Heidhausen oder Fischlaken dafür gewinnen, die Haltestellen einzusprechen. Manch ein Fan will dann aber eventuell gar nicht mehr aussteigen – boah, glaubse?

3 Gedanken zu „Mit den Grünen auf Testfahrt im neuen Quartiersbus

  1. Warum befährt die Linie 190 die immerhin ca. 2,5 km lange Strecke zwischen Papiermühle und Geilinghausweg ohne jeden Zwischenhalt? Hier wohnen zugegeben nicht gerade seeehr viele Leute – aber es wohnen doch etliche im Bereich In der Borbeck/oben, Pastoratsberg, Pauline, Kutschenweg/abzweigende Nebenwege, Langeheide, Zum Timpen, nördlicher Geilinghausweg. Zumindest EINE Haltestelle „Pauline“ an der Abzweigung Pauline/Pastoratsberg/Kutschenweg, besser noch eine zweite („Zum Timpen“) im Bereich zwischen Geilinghausweg 14 und 26 wären angebracht. Interessant auch für viele Wanderer, die die zahlreichen örtlichen (A1, A2) und überörtlichen (Abteiweg, Harkortweg, Ruhrhöhenweg, Kettwiger Panoramasteig, Eggenweg) Wanderwege nutzen. Als seinerzeit die 180 über Fischlaken/Viehauser Berg geleitet wurde (heute 182/192), fehlte auch hier zunächst eine Haltestelle (auf NUR 850 m Länge) zwischen „Am Schwarzen“ und „Lürsweg“, bei dichter Bebauung. Erst wesentlich später wurde die Zwischenhaltestelle „Fischlaker Straße“ eingerichtet.

  2. Der ökologische Verkehrsclub Deutschland begrüßt die Einrichtung dieser beiden Ortsbuslinien als einen Schritt in die richtige Richtung, denn wir brauchen die Verkehrswende jetzt. Dass bei dieser ersten Fahrt der neue Bus durch parkende Autos behindert wurde, sollte die Stadtverwaltung zum Nachdenken anregen, denn dieser Umstand lässt sich mit einfachen Mitteln ändern. Mit einer gewissen Spannung beobachten wir die weitere Entwicklung der Fahrgastzahlen. Hoffentlich verläuft sie nicht so wie bei der Seelinie 181, die wegen zu geringer Fahrgastzahlen eingestellt wurde.
    Dass wieder Dieselbusse eingesetzt werden ist bedauerlich, denn auch sie stoßen immer noch umweltschädliche und gesundheitsgefährdende Stoffe aus (Kohlendioxid, Stickoxide, Feinstaub sowie Lärm). Wir hoffen, dass es bald elektrisch angetriebene Fahrzeuge gibt, die den Ansprüchen der Ruhrbahn genügen.

  3. Gut dass wir uns in Zeiten der Pandemie alle darum kümmern , unnötige Kontakte zu vermeiden. Alle ? Nein . Ein kleines Grüppchen inszenierungssüchtiger Politiker fährt ohne Grund und Ziel mit dem ÖPNV.
    Hauptsache man ist mal auf dem Pressefoto. Herzlichen Glückwunsch für diese Aktion .
    Ein weiterer Aspekt dieses Artikels wäre noch der Betreiber der neuen Buslinien. Auf dem Foto erkennt man das Kennzeichen E-MH … Bedeutet dies, dass nicht die Ruhrbahn als Betreiber fungiert, sondern wieder einmal der Subunternehmer Mesenhohl ? Da wäre als ein „ Präsent“ für den Fahrer eher der Einsatz der Politik für originäre Arbeitsplätze im Kernunternehmen angebracht. Aber arbeitnehmerorientierte Politik sucht man bei dieser Partei schon lange vergeblich. Aber auch die Geschäftswelt in Werden kann sich schon mal auf diese Fraktion freuen. Zum Zeitpunkt der Krise des inhabergeführten Einzelhandels jetzt über die Bewirtschaftung der letzten kostenfreien Parkfläche zu fabulieren , zeigt erneut dass hier Ideologie über die Verantwortung für die Menschen vor Ort gestellt wird. Alles in allem ein entlarvender Auftritt .

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