10 Okt

Essen war für uns wie Urlaub

„Wenn ich am Leverkusener Kreuz war, begann für mich fast so etwas wie Urlaub“, berichtete gestern Peter Rüchel: Essen sei ein wundervoller Gastort für den Rockpalast gewesen, versicherte der damalige Redakteur der Rocknächte im Charivari im Wattenscheider Bahnhof. Zusammen mit der Essener Band 78-Twins, mit deren Mitgliedern ihn eine Freundschaft verbindet, bestritt die Legende des europäischen Jugendfernsehens einen Erzähl- und Livemusik-Abend.

Die 78-Twins gehören ohnehin zu den besten Livebands in NRW, erst recht, wenn sie an diesem Abend ihre eigenen Balladen mit Rock- und Rock’n Roll-Hits und Funk verbinden, die nie wie Cover klingen; die stattdessen den ursprünglichen Cover-Gedanken tragen: eine Komposition zu einer eigenen Interpretation zu machen, so wie es in der Klassik schon Tradition hat und wegen der eigenen Tradition des Rock mit den Bands, die jeweils ihre eigenen Stücke spielen, nur schwerlich akzeptiert wird.

Doch die Band der Korn-Zwillinge lässt solche Gedanken kommentarlos hinter sich, auch wenn nur Bassist Sven Hiller und Gitarrist Martin Ettrich den Rockpalast noch selber erlebt haben. Aber Bastian und Benny Korn klingen, als wären sie zwanzig Jahre vor 1978 geboren, bisweilen 40 Jahre, wenn sie den Rock’n Roll sehr nah am Original in de Tasten und die Felle hämmern. Es tut so gut, wieder ein Piano im Rock zu hören.

Die Duelle zwischen Bastian am Piano und Martin an der Gitarre sind dermaßen großartig, dass der Zuhörer bedauert, dass die Soli weitgehend verschwunden sind. Aber welcher Gitarrist spielt schon so treibende und doch wunderschöne Soli? Welcher Pianist hat noch diese Leichtigkeit in der  schwermetallernen Akkordmaloche. Dazu das so bewegend präzise Schlagzeug, das seine Grenzen erst im Solo auslotet, ebenso wie Bassist Sven Hiller, der sich solange zurückhält, bis er mal eben etliche Bassstile souverän durchpflügt.

Das Publikum groovte pausenlos mit, tobte zwischendurch wie eine ausverkaufte Grugahalle und hörte geduldig Peter Rüchel zu, der so unendlich viel erlebt hat und aus einem riesigen Palast voller Erinnerungen schöpft, die seine sehr ruhige, pointenarme Erzählweise stets zu sprengen droht.

Wer damals dabei war, war zumindest fasziniert; wer die Anspielungen nicht versteht, musste sich dagegen etwas anstrengen, zu folgen. Trotzdem nett, wenn er erzählt von dem Treffen der Rockmusiker mit OB Horst Katzor in der Schwarzen Lene, den gemeinsamen Wochen im Hotel Bredeney und den anderen Spezialitäten einer Stadt Essen, die damals dankbar war für diese Nächte; ebenso wie das Stammpublikum, zu dem der Autor damals gehörte, immer in der ersten Reihe.