Die Walcker-Orgel in der Evangelischen Kirche Werden pfeift bald wieder aus befreiten Löchern

Im Januar durfte sich die Walcker-Orgel in der Evangelischen Kirche Werden stolz das Kompliment „Orgel des Monats Januar“ anheften lassen – verliehen von der Stiftung Orgelklang. Die von der Evangelischen Kirche in Deutschland gegründete Stiftung Orgelklang erfreute damit die Gemeinde und den Förderverein der Kirche. Für die Gemeinde ist die Orgel ohnehin und immer die Schönste – und das seit 120 Jahren.
Allerdings hatte die alte Dame mit ihren 2492 Pfeifen reichlich Bedarf an einer Schönheitskur. Die Pfeifen wurden im Sommer ausgebaut und gereinigt. Drei Orgelbauer mit Walcker-Erfahrung reisten eigens aus Spanien an, um die Fleißarbeit zu erledigen. Schließlich wurden die Pfeifen mit Alkohol ausgepinselt. Sie waren stark verschmutzt und teilweise von Schimmel befallen. Viele der dünnen Lederbälgchen der Traktur, die aus hauchdünn geschabten Leder bestehen und gefaltet sind, hatten feine Risse in der Faltung. Laute Spielgeräusche und Heuler machten den Organisten zu schaffen.. So mussten vor einem Konzert sehr kurzfristig mehrere Pfeifen ausgebaut werden, die ansonsten dauerhaft getönt hätten.
Um an die rund 500 kleinen Bälgchen im Spieltisch heranzukommen, mussten die Manuale und viele Hundert Bleirohre ausgebaut werden. Nach Diagnose durch den leitenden Orgelbauer Matthias Wagner müssen alle Bälgchen getauscht werden, damit die Orgel wieder für die nächsten Jahrzehnte sicher funktioniert. Baukirchmeister Bodo Besselmann hoffte, dass die wesentlichen Arbeiten bis Weihnachsten fertig würden. Da jedoch nur eine provisorische Lösung mit einer teilweise einsetzbaren Orgel möglich gewesen wäre, entschied sich die Gemeindeleitung dagegen.
Wetterfühlig ist diese Königin der Instrumente auf ihre alten Tage auch geworden, egal ob trocken, nass oder kalt: Sie lässt wissen, dass nicht nur Klaviere es wohltemperiert lieben, sondern gerade auch sie insbesondere.
Rund 120.000 Euro, so die Berechnungen der Verantwortlichen, werden die Arbeiten kosten. Die Stiftung Orgelklang stellte — eine Projektspende des örtlichen Fördervereins inklusive — 28.000 Euro zur Verfügung. Bundesfördergelder in Höhe von 50.000 Euro wurden im Sommer zugesagt und werden derzeit abgerufen. Zusätzlich wurde der Sanierungsfonds mit privaten Spenden, Benefizkonzerten und Orgelführungen gefüllt. Auch ehrenamtliche Hilfe, die für die Bewirtung bei den Führungen sorgte, war hilfreich.
Mit 37 Registern und pneumatischer Traktur ist Opus 885 der berühmten Ludwigsburger Orgelbaufirma Walcker ein beeindruckendes spätromantisches Werk, das bei vielen Organisten seinerseits romantische Gefühle hervorruft: Kann man sie doch wispern, jauchzen oder dröhnen lassen; ob kontrastreich oder ineinandergreifend, die Klangfarben dieser Orgel sind in ihrer Kombination überdurchschnittlich. Die Rarität, die nahezu stufenlos pneumatisch aufdreht, nutzt heute Windtechnik aus den Siebzigern. Den romantischen Klang, der 1903 Mode war, teilte sich die Orgel mit 120 Orgeln jährlich. Die Walcker-Orgeln standen weltweit in großen Kirchen und Konzertsälen; und die meisten verschwanden auch wieder. Heute ist die Werdener Orgel denkmalgeschützt. Um Haaresbreite entkam sie einer „Modernisierung“, die schon geplant war. Die Währungsreform vereitelte die Pläne ganz pragmatisch. Es war plötzlich kein Geld mehr da. Ihr Kaufpreis von 17.000 Mark war seinerzeit vom Fabrikanten Geheimrat Friedrich A. Krupp finanziert worden.