05 Jan.

Heimat in Halle

Stepping OutIst es Heimat, wenn man mitten in Leipzig eine riesige Straße findet, die Essener Straße heißt, und man denkt: „Warum nicht?“ Und dann entdeckt, dass dort Thyssen-KruppSchulte zu Hause ist, und durch den Kopf schießt: „Vielleicht deshalb“; man dann aber lesen muss: „Ausverkauf aller Teile vor Ort.“ Manchmal merkt man in der Kruppstadt Essen gar nicht, wie weit es schon gekommen ist. Vor dem geistigen Auge werden riesige Metallrollen aus Nirosta über die Theke geschoben und von Schnäppchen-Jägern im Keller eingelagert.

Ist es Heimat, wenn es in Halle an der Saale an einer beliebte Currywurst-Bude auch eine „Currywurst weiß“ gibt, der Ruhrgebietler fragt: „Ist das die mit einer richtigen Bratwurst“, der Verkäufer begeistert nickt und eine richtig leckere Wurst fertig macht, super Soße und so; und nach einem nun alle die Weiße wollen.

Ist es Heimat, wenn der Verkäufer nachher beim Tisch-Abwischen fragt, warum denn sein „Weiß“ keiner verstanden habe? Aber nun alle wissen, was er Besonderes hier biete. So viele Weiße habe er oft über Wochen nicht verlauft.

Ist es Heimat, wenn der gute Mann dann noch irgendetwas von Hamburg faselt, wo es die auch gebe. „Ja, klar Ruhrgebiet“. Nein, die können es doch nicht erfunden haben.“

„Erfunden vielleicht nicht, aber dort ist ihre einzig echte Heimat. Vieles was nicht an der Ruhr geboren wurde, hat dort eine Heimat gefunden“, sagt der Gast aus Essen-Werden und ist richtig stolz auf sich inmitten einer Runde von neuen Wurst-Weiß Esse(ne)rn.

Abends gab es dann die Bluesband der Stadt, oder hoffentlich nicht. Denn die netten alten Jungs von Stepping Out im Mojo Bluesclub spielten nach Noten Blues Klassiker so, wie sie im Ruhrgebiet allenfalls bei einer spontanen Bluessession akzeptiert würden, aber nicht als eingespielte Band in einem Club.

Aber keine Angst: Der Blues hat seine Heimat auch für mich nicht im Ruhrgebiet; auch wenn unsere Band vor 34 Jahren den „Rhythm `n Pott“ und „Ruhrpott Rhythm“ begründen wollte. Jugendsünden eben.

2 Gedanken zu „Heimat in Halle

  1. Es heißt, dass es im Imbiss an der Werdener Brücke die beste Currywurst gibt, und das ist ein Grieche, also einer aus’m Ruhrgebiet.

    • Also, das war meiner Meinung nach lange auch so, mit Abstand. Aber zwischendurch gab es immer wieder gute und ambitionierte Bräter und Soßenentwickler: Am Bahnhof, Keller bzw. Junior, auch oben in Heidhausen. Wir sind keine Diaspora mehr. Und bei den Griechen esse ich mit Abstand am liebsten: Doppelte Zigeunerfrikadelle mit halbem Brot. Das hat mit 5.40 Euro seinen Preis und ist auch etwas speziell.

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