Entpuppt
Eine Weihnachtsgeschichte von Marc Vogel

Heiligabend. Werden ist früh morgens unter einem Nebelschleier bedeckt. Leise, beinahe unmerklich rauscht ein trockener, kalter Ostwind durch die Straßen. Schon Wochen zuvor gaben Lichttechniker alles und beleuchteten Gassen und Plätze, was das Zeug hält. Ihre funkelnden Lichterketten gehören zur Adventszeit wie Lebkuchen, Glühwein und „Last Christmas“ in Endlosschleife. Sie tauchen die Fußgängerzonen in warmes Licht und bringen eine weihnachtliche Stimmung in unser Städtchen. Und sind besonders an diesem Tag etwas sehr Schönes.
Aufbrechende Helligkeit belebt die Altstadt. Das Leben nimmt schrittweise seinen Gang. Entlang der Boutiquen, Bäckereien, Friseurläden, Restaurants, Immobiliengeschäfte. Aufsteigender Dampf aus der Kanalisation verstärkt die wundersame Atmosphäre, welche immer zu Weihnachten in der Luft liegt.
Ich beobachte mit glasigen Augen einen Schatten, der sich im Dunst langsam fortbewegt. Auch Langsamkeit ist besonders schön an diesem Tag.
Es weihnachtet, sehr.
Einige Läden öffnen unüberhörbar ihre metallenen Rollgitter. Ihr künstliches Licht lässt den Morgen erstrahlen. Und bieten mir einen seltsamen Anblick von formierten Vitrinen, die mich spiegeln. Mir den unverhüllten Blick auf Menschen offenbaren. Auch jene ohne Bewegungsspielraum. Gebunden an Pflichten.
Tagsüber öffnen sich über ihren Dächern die Wolkenporen. Es regnet in Strömen, talwärts. Auch auf den Geldautomaten gegenüber, bei dem eine ältere Frau etwas verloren steht und Ziffern eintippt. Sie entnimmt ihr Geld. Und wendet sich mir zu. Ich hatte sie nicht bemerkt. Sie bewegt sich langsam. Ich erkenne im Spiegelbild des Schaufensters ihr warmherziges Gesicht. Sie blickt zu mir, starrt mich an.
Dann überquert sie gemächlich die Straße. Betritt ohne zu zögern den Laden. Kommt direkt auf mich zu. Sie hebt mich behutsam aus der Vitrine. Drückt mich liebevoll an sich. „Du brauchst keine Angst zu haben. Meine Enkelin wird sich freuen. Sich durch dich selbst erkennen, ihre Gefühle und Wünsche ausdrücken.“ Sie legt mich umsichtig auf die Ladentheke. Sie bezahlt.
Ich werde als Weihnachtsgeschenk hübsch, kunstvoll verpackt. Ich blicke zurück, nehme still Abschied. Sehe, wie der Regen in Schnee übergeht. Es wird dunkel. Abends werde ich das Licht der Welt erneut erblicken. Meine Wiedergeburt. Wo? Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie es weitergeht. Bewege mich unmerklich. Versinke in tiefen Schlaf