ER ist wieder da — Mythen-Mixer
Alle Jahre wieder kommt ein Gerücht von einem Kettwiger. Jetzt kursiert eins wieder auf Facebook unter „Werden die Perle an der Ruhr“. Es sind Wahrheiten, die er immer auf seine unnachahmliche Weise deutet. Da soll es geheime Tunnel unter dem See hindurch gegeben haben. Der „Forscher“ war schon vor rund 28 Jahren bei mir und hatte ganz andere wildere Thesen als diese nun. Der Kettwiger ist frei nach Walter Moers ein Mythen-Mixer. Diesmal geht es um einen Raum unterhalb des Chorraums der Basilika. Dort sollen mutwillig Geheimnisse nicht aufgedeckt werden; womöglich Schandtaten aus der Nazizeit. Selbstverständlich weiß ich als Jahrgang 1959 auch nicht, was die Nazis in der alten Abtei alles gemacht und vergraben haben. Möglich ist vieles, aber deshalb zu den Fakten, soweit ich sie aus zuverlässigen Quellen kenne: In der Zeit der Restaurierung der Basilika vor 2009 ließ der ausführende Architekt 2008 in der Tat aus unerfindlichen Gründen (das steht allein dem Denkmalamt des Landes oder dem Archäologen Hopp zu) eine Mauer öffnen, und das zudem noch in Anwesenheit des besagten Mythen-Mixers. Dort waren in der Tat noch Särge zu sehen, und ein Skelett, ob irgendwo ein Gewehr war, darüber gegen die Ansichten sehr auseinander. Es kann dort drin ein langer metallischer Gegenstand liegen.
Verschlossen wurde das Loch allerdings nach Aussage mehrerer Beteiligter; nicht, um irgendetwas zu vertuschen, sondern aus einem ganz anderen Grund: Es ist sehr wohl bekannt, dass sich unter der Basilika und der Abtei noch manches finden lasse, von 800 an bis tatsächlich womöglich 1945. Aber gerade wegen des Alters will man an jede Forschung dort erst gehen, wenn das Geld für sachgemäße Arbeiten vorhanden ist. Das bedeutet: Keinesfalls luftdichte Räume öffnen, wenn man nicht garantieren kann, die Funde dann auch sachgerecht und ohne Schaden zu bewahren. Das ist alles.
Ich meine, egal was darunter liegt, einer noch so heiligen Messe im Chorraum darüber dürfte nun wirklich nichts entgegen stehen.
Siehe nachfolgender Text des LVR:
Essen-Werden, Abteikirche St. Ludgerus, Krypta
Gutachtliche Stellungnahme gemäß § 22 (3) DSchG NW
Endoskopische Untersuchung des Hohlraumes hinter dem Ludgerusschrein am 1 6.1 0.2008
Teilnehmer:
Herr Martin Hebgen, Architekt
Frau Lena Wissing, Studentin FH Hildesheim
Unterzeichner
Die Untersuchung fand durch eine im Durchmesser ca. 6 cm große Öffnung statt, verwendet
wurde ein flexibles Endoskop der Firma Storz. Die Ergebnisse sind auf Film und Standbild
aufgezeichnet und beim LVR/Rheinische Denkmalpflege archiviert.
Befund
Der sich laut Herrn Hebgen ca. drei Meter in die Länge erstreckende Raum (Lasermessung)
beherbergt vier sargähnliche Holzkästen, von denen drei pyramidenartig übereinander gestellt
sind und ein vierter direkt an der durchbohrten Wand platziert ist. Augenscheinlich handelt es
sich bei den übereinander gestellten Kästen um Eichenholzsärge mit Unterbau und dachähnlichem Aufbau, deren Stirnseiten maximal ca. 35 cm messen, der vierte zeigt keinen dachähnlichen Verschluss. Die Länge der „Särge“ war im Zuge der Untersuchung nicht zu ermitteln.
Der obere der übereinander gestellten Kästen weist ein gebrochenes Bodenbrett auf, aus
welchem ein Schädel sowie Hobelspäne(?) und ein länglicher Glasbehälter heraus gefallen
sind. Dieses Material liegt nun auf bzw. zwischen den „Dachflächen“ der beiden unteren Kästen.
Links neben dem linken, unteren Kasten steht ein flaschenähnlicher Glasbehälter, der eindeutig verschlossen ist. Zu dokumentieren war weiterhin ein Metallring an der rechten Seite des
rechten, unteren Kastens, der sicher als Tragevorrichtung fungierte. Als verbindende Elemente unter den einzelnen Holzteilen der Kästen sind stark korrodierte Nägel erkennbar, vor allem
an den Verbindungsfugen der „Dachflächen“.
– 2 –
Zwischen den beiden unteren Kästen und dem darauf platzierten befindet sich augenscheinlich eine Art Lattenrost, wohl aus Eichenholz. Dieser reicht jedoch nicht bis an die vordere
Kante, da er das Herabfallen des ehemals innen liegenden Materials nicht verhindert hat.
Der vierte, direkt an der durchbohrten Mauer platzierte Kasten ohne dachähnlichen Verschluss, beherbergt augenscheinlich eine große Anzahl an Gebeinen, das Holz ist stark geschädigt und deformiert. Letzteres weist, wie auch die korrodierten Nägel und der eindeutig
auszumachende mikrobielle Befall, auf sehr hohe Feuchtewerte in der Kammer hin – was angesichts des nicht belüfteten Fundortes jedoch nicht überrascht.
Altersfrage
Leider lassen sich anhand der Konstruktion keine eindeutigen Aussagen zum Alter der Holzkästen machen, die exakte Ausarbeitung lässt jedoch eine Konstruktion des 1 9. Jh. oder jünger annehmen. Zur Klärung der Altersfrage könnte die Beschriftung eines Papiers(?) in dem
aus dem rechten Kasten heraus gefallenen Glasbehälter beitragen, hierzu reichen die fotografischen Aufnahmen jedoch leider nicht aus. Eine Entnahme des Glases wäre sicher schwierig
und nur unter Belastung des im direkten Umfeld befindlichen Materials möglich. Eventuell
können weitere Hinweise aus der Form des dokumentierten, flaschenähnlichen Behälters seitlich der Kästen gewonnen werden. Zu überprüfen wäre jedoch zunächst die historischen
Quellen, anzunehmen ist eine Umbettung von Gebeinen in nachbarocker Zeit.
Im Auftrag
Marc Peez
(Ltd. Dipl.-Restaurator)